Wenn sie auf
die Skulptur „Das Tiergericht“ schauen, kommen viele darauf, dass sich dahinter
eine Geschichte verbirgt, die Ruwe plastisch dargestellt hat. Einige wissen
sogar, dass es sich dabei um eine Fabel handelt. Und beim Austausch über
Fabelwesen sind wir mit den Studierenden des Seminars „Erinnern und Vergessen“ zu
dem Ergebnis gekommen, dass fast alle ähnliche klischeeartige Eigenschaften mit
den jeweiligen Tieren verbinden.
Ein schlauer
Fuchs liefe neben der eigensinnigen
Katze am vorsichtigen Meister Lampe
vorbei, grüßt dabei den einfältigen
Bären, der sich gutmütig zum mächtigen
König der Tiere, dem Löwen,
hinwendet. Es trifft der hochmütige Hahn
und eitle Gockel auf den rücksichtslosen
und verlogenen Wolf, derweil ein fauler
Esel störrisch stehenbleibt, als ein Knecht versucht ihn zu ziehen. Und der
schlaue Igel hat eine
Auseinandersetzung mit der zickigen und
unzufriedenen Ziege.
Dem Rufe seiner Majestät, des Königs Nobel, sind alle
Tiere gefolgt:
Toni und Esmeralda, das hochangesehene Elefantenpaar –
Langohr, der Esel – die Bärenfamilie Braun – Bellin, der Schafbock – das
Giraffenpaar Oculus und Ocula – die Stute Halla – Gutmut, das Rind – Quack, der
Frosch sowie Schweine und Katzen und Gänse und Eulen und Affen usw.
Eigentlich sind sie alle gekommen, um mit dem Könige
und seiner Gemahlin Pfingsten zu feiern – bevor jedoch der Reigen der festlichen Veranstaltungen
eröffnet wird, haben sie noch ein ernsthaftes Geschäft zu erledigen: Vor ihnen
allen sitzt Reineke, der Fuchs. Er ist hier der Angeklagte, dem alle
Blicke zugewandt sind: die meisten vorwurfsvoll, viele anklagend, indem sie
symbolisch Wasser speien, denn zu schändlich hat er’s oft getrieben. Kaum einer
war vor ihm sicher. Mit List und Tücke hatte er viele übertölpelt, betrogen,
mancherlei versprochen und nichts gehalten. Mit einem Worte: geschadet hatte er
vielen der Anwesenden, am meisten den Gänsen, die hier als stattliche
Trauerschar vor ihm stehen… ja selbst vor ihren Majestäten hatte er mit seinen
Lügen nicht haltgemacht. Freunde hatte er nur wenige – sie setzen auf seine oft
bewiesene Pfiffigkeit, dank derer er sich noch jedesmal aus der fast sicheren
Schlinge ziehen konnte.
Ob ihm seine Künste auch diesmal helfen werden?
Zuzutrauen ist es ihm ja wohl, wie er so demutsvoll-lauernd vor seinen Klägern
auf einem Baumstamm sitzt – werden sie wirklich wieder allesamt auf seine
Verschlagenheit hereinfallen?
Auf diese Frage findet eine andere Überlieferung der Fabel
eine Antwort:
Die Anwesenden, groß und klein, allen voran Isegrim,
der Wolf, beschweren sich über die Untaten des nicht anwesenden Fuchses Reineke
und fordern seine Bestrafung. Braun, der Bär, und Hinz, der Kater, werden
nacheinander losgeschickt, um Reineke aus seiner Burg Malepartus an den Hof zu
holen. Beide scheitern, Reineke bringt sie gezielt in Lebensgefahr, und sie
entrinnen, schwer malträtiert, knapp dem Tode.
Der König nimmt die Schmach persönlich und setzt
Reinekes Erscheinen vor Gericht durch. Das Urteil lautet auf Tod. Unter dem
Galgen, den Kopf bereits in der Schlinge, gelingt Reineke die Erfindung einer
als Beichte getarnten Lügengeschichte von Verrat und Goldschatz, die den Bären
Braun und den Wolf Isegrim zu Hochverrätern erklärt und den Löwen Nobel gierig
macht. Reineke wird entlassen und macht sich unter dem Vorwand einer
Pilgerreise nach Rom auf und davon. Reinekes Verrat wird offenbar, nachdem er
den abgebissenen Kopf seines Pilgergefährten Lampe, des Hasen, an den König
zurückgeschickt hat. Braun und Isegrim werden rehabilitiert von Nobels Gnaden.
Nachdem Grimbart, der Dachs, Reineke erneut zum Hof
gebracht hat, entwickelt sich eine zweite Gerichtsverhandlung, in der weitere
Schandtaten Reinekes ans Licht kommen und in Reden der Anklage und der
Verteidigung verhandelt werden. Reineke verweist zwar auf allerlei Wohltaten
seiner Familie am Hofe, insbesondere auch auf die Rettung von Nobels krankem
Vater durch seinen eigenen. Der Vorwurf Isegrims jedoch, Reineke habe seine
Gattin Gieremund geschändet, veranlasst Nobel zu der Entscheidung, Isegrim und
Reineke in einem öffentlichen Zweikampf gegeneinander antreten zu lassen. Für
den Fuchs bedeutet dies das zweite Todesurteil, denn er ist dem Wolf körperlich
unterlegen. Reineke gewinnt, indem er den Wolf mit schmerzhaften
Unsportlichkeiten außer Gefecht setzt. Das überzeugt das Publikum und
veranlasst den König Nobel, Reineke zu seinem Rat und zum Kanzler des Reichs zu
ernennen.
Exkurs für
diejenigen, die an näheren Details zur Geschichte interessiert sind:
Alle anderen
überspringen diesen Absatz einfach!!
Diese Szene ist ein etwas modernisierter Teil eines
alten Tierepos aus dem 13. Jahrhundert. Zuletzt wurde er in Goethes Dichtung
„Reineke Fuchs“ (1793) literarisch verarbeitet. Zuvor wurde diese Geschichte
immer in ähnlicher Form ganz vielfach überliefert, sodass mit der Zeit viele
Einzelgeschichten entstanden sind.
Flame Nivardus schuf als Erster (demnach was man heute
noch nachverfolgen kann) 1150 als erster einen Zusammenhang der Hauptfiguren
des leidenden Wolfes und des überlistenden Fuchses. Durch ihn bekamen die Tiere
auch schon weitestgehend die heute noch gebräuchlichen Namen, mit denen
menschliche Eigenschaften veranschaulicht werden sollen. So kommt beispielsweise Isegrim (=Wolf) vom
Mittelhochdeutschen grinen, dass knurren bedeutet.
Kurz und knapp: Fakten der Skulptur
Seit wann?
1978
Woraus bestehend? Bronze Wo befindet es sich? vor dem Aquarium, Zoo Osnabrück Warum gebaut? Widmung verstorbener Tiere im Onsabrücker Zoos Was wird dargestellt? Das Tiergericht Was fällt auf? Brunnenfunktion der „Hahn“ (vereinfachte Umsetzung der Gestaltung) 1. Grund: Beweglich, dreht sich im Wind 2. Grund: Symbolik -> Ankündigung, Bote
Wer ist der Bildhauer? Hans Gerd Ruwe
Kein offizielles Denkmal, da es sich bei der Skulptur um Privateigentum des Osnabrücker Zoos handelt.
DENK MAL!?
In Bezug auf die Skulptur bedeutet diese poetisch
gelungene Darstellung der Fabel allerdings eine Problematik, wenn man die Tiere
tatsächlich so charakteristisch sieht, da es nichts mit der Erinnerung an
verbrannten Tiere zu tun hat (das war schließlich der Anlass der Statue!),
sondern ganz im Gegenteil höchstens eher positive Kindheitserinnerungen an die
Fabel erweckt. Diese Darstellungsart wurde vermutlich gewählt, da sie besser
zum Konzept Zoo passt, das den Besuchern eine harmonische Atmosphäre gemeinsam
mit den Tieren vermitteln will.
Die
Tatsache, dass allen Tieren durch die Assoziation mit der Fabel eine gewisse
Charakteristik von Eigenschaften zugeschrieben wird, könnte immerhin möglicherweise
die Einzigartigkeit der Tiere unterstreichen, die verbrannt sind.
Brandkatastrophe - eigentlichen Sinn der Skulptur verhöhnt?
Zudem wenn man den eigentlichen Anlass betrachtet,
dass Ruwe
engagiert wurde, um verstorbenen Tieren des Mehrzweckhauses* zu
gedenken wird deutlich, dass dies nicht nur am Thema vorbei geht,
sondern die
Brandkatastrophe von 1978 ganz und gar vergessen wird. Durch diese
Skulptur greift Ruwe lediglich die Tierfabel des Reineke Fuchs auf.
Hiermit stellen wir uns natürlich die Frage wie DENKMALWÜRDIG Ruwes
„Tiergericht“ ist und wie eigentlich ein Denkmal für den Brand 1978 im
Osnabrücker Zoo aussehen müsste und wenn es ein Denkmal für die Fabel des
Reineke Fuchs geben müsste, wie diese gestaltet werden müsste, sodass es auch
in jeder Altersgruppe erkennbar ist und die Darstellung und der Sinn und Zweck
deutlich zu interpretieren ist?
Die Moral der Fabel wird allerdings nicht deutlich genug widerspiegelt.
Um den Brunnen „das Tiergericht“ mit dem Brand von 1978 zu verbinden, hätte man
schon wenigstens ein kleines Schild anbringen können, an wen diese Skulptur
gewidmet ist oder zumindest wann und wieso sie erbaut wurde, denn komischer Art
und Weise sind die anderen Ruwe-Skulpturen im Osnabrücker Zoo mit einer Widmung
gekennzeichnet. Sie sind beispielsweise einem Tierpfleger gewidmet, beim
„Tiergericht“ jedoch steht nur der Name der Skulptur und des Bildhauers. Somit
handelt es sich bei der Skultur „Das Tiergericht“ NICHT um ein DENKMAL.
*Das Mehrzweckwarmhaus ist eine Einrichtung für exotische Tiere, die 1960
eröffnet wurde
aber jedoch 1978 niedergebrannte. Grund dafür waren angeknabberte elektrische Leitungen (von vermutlich einem Nagetier), die in der Nacht zum 4. Januar 1978 das frisch eröffnete Mehrzweckwarmhaus, was zu diesem Zeitpunkt ein großer Besuchermagnet war, mit all den Tieren darin zerstörten. Durch zahlreiche Spenden konnte das Gebäude 1979 wiedereröffnet werden. Die Friedrich-Lehman-Stiftung engagierte kurz nach dem Brandvorfall den Bilderhauer Hans Gerd Ruwe um eine Plastik zu entwerfen, die den verstorbenen Tieren gewidmet ist und zugleich den Zoo Unterstürzen sollte.
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KunstKulturOsna.
Sonntag, 21. September 2014
Das Tiergericht- nur eine einfache Skulptur?
Eure Meinung ist gefragt! - Umfrage zum Tiergericht
Das Tiergericht im Zoo Osnabrück, Nahaufnahme vom Fuchs (links), L. Borm |
Nachdem wir letztes Mal euch Fakten und den Entstehungsgrund der von dem Bildhauer Hans Gerd Ruwe erbauten Skulptur "das Tiergericht", welches im Osnabrücker Zoo seit vielen Jahren steht; führten wir noch eine kleine Umfrage durch, um herauszufinden, wie das „Tiergericht“ bei den Passanten ankam. Heraus kamen interessante Ergebnisse:
Anzahl der Befragten: 15
Alter der Befragten: 10 bis 50 Jahre
Frage 1:
Was ist Ihr erster Eindruck von dieser Skulptur? (siehe das Tiergericht)
a: positiv b: negativ
(Ergebnis a= 8, b= 7)
oft genannter Grund a: schöne Tiere
oft genannter Grund b: unübersichtlich
Was ist Ihr erster Eindruck von dieser Skulptur? (siehe das Tiergericht)
a: positiv b: negativ
(Ergebnis a= 8, b= 7)
oft genannter Grund a: schöne Tiere
oft genannter Grund b: unübersichtlich
Frage 2:
Kennen sie die Fabel „das Tiergericht“?
a: ja b: nein c: nicht sicher
(Ergebnis a= 2, b= 10 , c= 3)
Kennen sie die Fabel „das Tiergericht“?
a: ja b: nein c: nicht sicher
(Ergebnis a= 2, b= 10 , c= 3)
Frage 3:
Meinen Sie diese Fabel handelt…
a: von einen Fuchs, der den Raben den Käse gestohlen hat und deswegen vor dem Tiergericht gelandet ist?
b: von einen Fuchs, der seinen Instinkt gefolgt ist und Hühner und Gänse gefressen hat und dieses Verbrechen jemand anderes Untergeschoben hat bzw. alle reingelegt hat und deswegen vor Gericht landet?
c: von einen Hasen, der gerne Igel ärgert und deswegen bestraft wird?
(Ergebnis a= 2, b= 13 , c= 0)
-> alle Passanten, die diese Geschichte nicht kannten wurden zuvor aufgeklärt!
Meinen Sie diese Fabel handelt…
a: von einen Fuchs, der den Raben den Käse gestohlen hat und deswegen vor dem Tiergericht gelandet ist?
b: von einen Fuchs, der seinen Instinkt gefolgt ist und Hühner und Gänse gefressen hat und dieses Verbrechen jemand anderes Untergeschoben hat bzw. alle reingelegt hat und deswegen vor Gericht landet?
c: von einen Hasen, der gerne Igel ärgert und deswegen bestraft wird?
(Ergebnis a= 2, b= 13 , c= 0)
-> alle Passanten, die diese Geschichte nicht kannten wurden zuvor aufgeklärt!
Frage 4:
Finden Sie, dass diese Skulptur angemessen ist bzw. zur Fabel passt?
a: ja b: nein
(Ergebnis a= 7, b= 8)
Finden Sie, dass diese Skulptur angemessen ist bzw. zur Fabel passt?
a: ja b: nein
(Ergebnis a= 7, b= 8)
Frage 5:
Meinen Sie es sei wichtig ein Denkmal über diese Fabel zu haben, wie z.B. die Bremer Stadtmusikanten oder der Rattenfänger von Hameln?
a: ja b:nein
(Ergebnis a= 12, b= 3)
oft genannter Grund a: wichtige Morallehre
oft genannter Grund b: zahlreiche ähnliche Fabeln
Meinen Sie es sei wichtig ein Denkmal über diese Fabel zu haben, wie z.B. die Bremer Stadtmusikanten oder der Rattenfänger von Hameln?
a: ja b:nein
(Ergebnis a= 12, b= 3)
oft genannter Grund a: wichtige Morallehre
oft genannter Grund b: zahlreiche ähnliche Fabeln
Frage 6:
Denken Sie diese Skulptur ist ein Denkmal?
a: ja b:nein
(Ergebnis a= 7, b= 8)
oft genannter Grund a: massiv, Größe und Farbe
(komisch aber viele assoziieren Denkmäler in verwitterten Kupferton)
oft genannter Grund b: nur eine figuraler Brunnen
Denken Sie diese Skulptur ist ein Denkmal?
a: ja b:nein
(Ergebnis a= 7, b= 8)
oft genannter Grund a: massiv, Größe und Farbe
(komisch aber viele assoziieren Denkmäler in verwitterten Kupferton)
oft genannter Grund b: nur eine figuraler Brunnen
Frage 7:
Mögen Sie Tiere?
a: ja b:nein
(Ergebnis a= 15, b= 0)
Mögen Sie Tiere?
a: ja b:nein
(Ergebnis a= 15, b= 0)
Frage 8:
Gedenkt das Tiergericht verstorbenen Tieren?
a: ja b:nein
(Ergebnis a= 0, b= 15)
Gedenkt das Tiergericht verstorbenen Tieren?
a: ja b:nein
(Ergebnis a= 0, b= 15)
Interessant
ist, dass die Mehrheit einen positiven Eindruck von Ruwes Skulptur hatte aber
sich diese Skulptur nicht als Denkmal vorstellen könnte. Ein oft genannter
Grund war, dass das Gesamtbild überladen wirkt. Man könnte auch nur schlecht
erkennen, was überhaupt dargestellt werden sollte. Die Morallehre wäre
ebenfalls schwer zu erkennen, dass „Lügen schwerer liegen als die Wahrheit“,
was Ruwe in Form von der Waage dargestellt hatte.
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